Rückblicke 13/01/94
Das zu DDR-Zeiten errichtete Endlager für radioaktive Stoffe Morsleben in Sachsen-Anhalt war schon vor der Wende 1989 das einzige staatlich betriebene Endlager auf deutschem Boden. Insgesamt wurden dort in den zurückliegenden Jahren 15 000 Tonnen schwach- bis mittelradioaktiver Abfälle eingelagert.
Die Deponie liegt knapp 2,5 Kilometer jenseits der niedersächsischen Grenze bei Helmstedt. Seit 1979 nahm es radioaktiven Abfall vor allem aus Forschungsinstituten und der Medizin auf. Hochaktiver Müll, darunter insbesondere Brennelemente aus Atommeilern, wurde in die Sowjetunion transportiert. Morsleben ist ein früheres Salzbergwerk. Die Lagerung des Abfalls erfolgt in etwa 500 m Tiefe.
Seit dem Fall der Mauer meldeten zahlreiche Umweltorganisationen Sicherheitsbedenken an. Die Grünen und mehrere Bürgerinitiativen kritisierten unter anderem, dass es keine Sicherheit gegen das „Absaufen“ des Schachts und gegen eine radioaktive Freisetzung innerhalb der Zerfallszeiten der atomaren Stoffe gebe.
Ausserdem entspreche das Endlager nicht den Anforderungen des Atomgesetzes, da es weder ein Planfeststellungsverfahren noch eine Studie zur Langzeitsicherheit oder Umweltverträglichkeitsprüfung gebe. Im vergangenen Jahr hatten Umweltschützer das Lager mehrfach besetzt.
Auf Antrag der Braunschweiger Rechtsanwältin Claudia Fittkow wurde am 25. Februar 1991 die Erfassung radioaktiver Stoffe und deren Endlagerung im ehemaligen Salzbergwerk vom Magdeburger Bezirksgericht in einer einstweiligen Verfügung verboten. Nach 16monatiger Stillegung verfügte das Bundesverwaltungsgericht im Juni 1992 die Wiederöffnung des Endlagers. Die Begründung lautete, dass die Betriebsgenehmigung per Einigungsvertrag auf die Bundesrepublik übergegangen sei. Seitdem wurden noch keine neuen nuklearen Abfälle verkippt.
Im Dezember hatte Sachsen-Anhalts Umweltminister Wolfgang Rauls einen von der Morsleben-Klägerin Fittkow beantragten Widerruf der Betriebsgenehmigung abgelehnt. Das Oberverwaltungsgericht in Magdeburg hatte zuvor entschieden, dass in Morsleben auch radioaktiver Westmüll eingelagert werden dürfe. In das Endlager sollen nur noch Nuklearabfälle mit geringer Strahlung kommen.