Rückblicke 13/01/94
Mit einem Schlagabtausch zwischen Anklage und Verteidigung ist am Mittwoch in San Antonio (Texas) der Prozess gegen elf überlebende Mitglieder der „Davidianer“-Sekte fortgesetzt worden. Zuvor waren zwölf Geschworene ausgewählt worden. Den Angeklagten – zehn Männern und einer Frau – wird Verschwörung im Zusammenhang mit dem Tod von vier US-Bundesbeamten bei der missglückten Razzia des Sektenanwesens am 28. Februar 1993 zur Last gelegt.
Zur Eröffnung sagte ein Vertreter der Anklage, im Prozess gehe es nicht um Religion, sondern um „mörderische Absichten“ der Gruppe um Anführer David Koresh, die Waffen gelagert hatte. „Wir werden zeigen, dass es sich nicht um Bibelschüler handelte“, sagte Staatsanwalt Ray Jahn. Die elf Angeklagten hatten das Anwesen bei Waco während der siebenwöchigen Belagerung durch die Polizei nach dem 28. Februar verlassen. Jahn will indes nachweisen, dass alle beim tödlichen Schusswechsel am 28. Februar mitgemacht hätten.
„Es war mehr als ein Zuhause, es war eine Kirche“, spielte der Verteidiger eines der Angeklagten dagegen die Sekte hoch. Ohne grosse Schwierigkeiten hätten die Behörden den Anführer Koresh verhaften können, ein spektakuläres Vorgehen jedoch vorgezogen. Am 28. Februar sollen auch fünf Sektenanhänger ums Leben gekommen sein. Sektenmitglieder hatten beim Anrücken der Polizei das Feuer eröffnet.
Die missglückte Razzia hatte zum Rücktritt des Leiters der ATF- Sonderpolizei beim US-Finanzministerium geführt. Bei der Belagerung waren im April 1993 über 80 Sektenmitglieder zusammen mit Koresh ums Leben gekommen. Untersuchungen ergaben, dass Davidianer den Brand selbst legten, nachdem die „Ranch Apocalypse“ von der Polizei gestürmt worden war. Der Prozess soll zwei Monate dauern.